So wie der Titel lautet, so ist auch die Reihenfolge, wie es vor einigen Wochen passierte. Wenn man in der Fliegenfischerbranche arbeitet, wird man mit neuem, aber manchmal auch mit altem konfrontiert. Ein Dachboden wird entrümpelt, eine Garage wird aufgeräumt. Aus einem Nachlass, weiß der Erbe nicht wohin mit dem Gerät. Dann ist es nicht fremd, dass man mal bei einem „vom Fach“ nachfragt. So geschah es auch vor einigen Wochen.
Ich bekam einen Anruf eines befreundeten Angelgerätehändlers, der nichts mit Fliegenfischen an der Mütze hat. „Jan, ich brauche mal deine Hilfe“. Er hatte einen Flohmarkt organisiert und da war ein Herr aufgetaucht mit jeder Menge Artikeln für die Fliegenfischerei. Er wisse wohl nicht, was damit anzufangen, aber er meinte, er kenne einen, der vielleicht da was zu sagen könnte. 😉
Ich also dahin. Auf dem Tisch lag jede Menge „Zeug“ und der Zahn der Zeit hatte deutlich schon an einigen Sachen genagt. Pfuuuh! Einige gespließte Ruten, alte Rollen, Fliegendosen (mitsamt Inhalt) verpackt in einem Karton mit nem Poststempel von 1974, genau… das sind mal eben 42 Jahre her.
Der Eigentümer dieser Sachen war ebenfalls zugegen und da kam natürlich die Frage, was diese Sachen denn wohl Wert wären, er möchte sie doch gerne veräußern. Nun ist das so eine Sache. Auf den ersten Blick waren einige schöne Sachen dabei, aber auch einige, die eben im Laufe der Zeit gelitten hatten. Und da ich mich nicht zu einer Aussage verführen lassen wollte, fragte ich ob ich die Teile für eine nähere Inspektion und Recherche mitnehmen dürfe. Natürlich kein Problem und so lag ein Teil der Sachen eine Stunde später bei mir aufm Schreibtisch.
Erst mal gucken was man im Internet so dazu finden könne. Mit ein wenig googeln hatte ich schon schnell einen Eindruck von dem was ich da hatte. Auch ein Freund meines Vaters, ein leidenschaftlicher Sammler, setzte sich mit den Sachen auseinander und unser beider Ergebnis war leider für den Verkäufer nicht besonders ermutigend, denn die Recherchen ergaben, dass der Marktwert eher gering war.
Ich machte daraufhin, auf Grund des geschätzten reellen Werts, ein Angebot um die Sachen zu kaufen, was vom Verkäufer jedoch abgelehnt wurde, weil es seinen (nennen wir es mal emotionalen) Vorstellungen nicht entsprach. Ende.
Nicht ganz. Denn ich war neugierig geworden. In dem Nachlass befand sich eine Gespließte von Hardy. Stark lädiert, aber mit einigen Gravierungen, die mich veranlassten ein wenig zu recherchieren. Dazu sollte man wissen, dass Hardy die Ruten in der Firmengeschichte nummeriert hat und es daher möglich ist, das Baujahr einigermaßen zuzuordnen.
Es handelte sich um eine „Palakona – the Economy Houghton“. Hört sich im Zeitalter von Mod, Recon, ExP4, LXi, oder G2 schon mal sehr anders an… Ungefähr 3 Meter lang, nach heutigen Maßstäben schwer, weich und langsam, aber für damalige Verhältnisse… na ja, wir sind eben ziemlich verwöhnt heute. Die Rute wird aber im Laufe ihres Lebens viele Fische gesehen haben.
Palakona war eine Serie aus dem Hause Hardy, die bereits 1881 eine Auszeichnung erhielt, und die es im Laufe der Zeit in unzähligen Modellen und Varianten gegeben hat.
Die Seriennummer ergab, dass diese Rute aus dem Jahr 1932 stammt. Was mich aber mehr intrigierte, waren Gravuren an der Endkappe der Rute. Auf der einen Seite unter dem Rollenhalter stand „Brussels“ und auf der anderen Seite der Name „LEON SEUTIN“. War das der ursprüngliche Eigentümer der Rute? Nein, weit gefehlt.
Der Belgier Léon Seutin war über Jahrzehnte Generalvertreter für Hardy in den Benelux-Ländern und eben auch in Deutschland (außer Bayern, da wurde Hardy durch Stork vertreten). Aufgewachsen an der belgischen Amel, fing sein beruflicher Werdegang in der Angelbranche in Aywaille an. 1914 schrieb er ein kleines Buch „Les secrets de la pêche à la truite“ (frei übersetzt: die Geheimnisse des Forellenangelns), bezogen auf die Fischerei in den belgischen Ardennen. Nach einem Aufenthalt in Lüttich, festigte er sich endgültig in Brüssel. Das erklärt das „Brussels“ auf der Kappe ;-). Seutin war seinerzeit einer der Mitbegründer des Royal Casting Club de Belgique. Casting war zu der Zeit sehr beliebt und Seutin wird auch mehrfach als Teilnehmer an den Wettkämpfen erwähnt. Viel mehr lässt sich dann – leider – nicht mehr schreiben, außer vielleicht, dass Seutin jährlich den „Ratgeber für den Sportangler“ veröffentlichte, sprich: ein Gerätekatalog, der – wie kann es auch anders – hauptsächlich mit Produkten aus dem Hause Hardy gefüllt war.
Welche Abenteuer die Rute selber in ihrem langen Leben erlebt hat, kann ich leider nicht nachvollziehen. Aber ein wenig Forschung betrieben zu haben, wie die Sachen damals an unsere Gewässer gelandet sind und wer dafür verantwortlich war, hat mir zumindest einige schöne und lehrreiche Stunden gebracht.
Man wundert sich, wie viele Informationen es im Netz über die Historie des Fliegenfischens gibt. Wer sich für historisches Gerät interessiert: während meiner Suche nach Informationen landete ich auf www.altes-angelgeraet.de, eine Seite die von Wolfgang Kalweit betrieben wird. Sehr informativ und bestimmt eine gute Adresse für alle diejenigen, die bei sich Zuhause vielleicht noch was „altes“ rumliegen und nicht unbedingt eine Verwendung dafür haben!